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Der Heimkehrer

Der Heimkehrer

geschrieben von Pitt Der große Krieg, den man nach Zahlen benannte, war vorbei. Leid, Elend und Not waren seine Begleiter und der Tod hatte reichlich Ernte gehalten. Nichts war menschlich an ihm gewesen. Satan persönlich hatte Regie geführt und das Drehbuch des Todes dazu geschrieben. Soldaten gefallen zu Millionen, vermisst, verwundet und in Gefangenenlagern eingepfercht. Sie mussten sühnen für die Verbrechen ihrer Anführer und Politiker. Sie sind ihnen gefolgt, sei es aus Fanatismus, Wahnsinn oder Unverständnis. Paul Müller war einer von ihnen. Ein Held wollte er werden und mit Orden und Ehrenzeichen vom Felde der Ehre heimkehren. Ganze achtzehn war er und man hatte ihm mit falschen Parolen das Hirn vollgestopft. Paul war schon als kleiner Pimpf begeistert bei den Pfadfindern dabei und lernte schnell, was das Überleben in außergewöhnlichen Situationen anging. Bei der Familie Müller waren alle männlichen Mitglieder beim Militär gewesen, warum sollte da Paul Müller eine Ausnahme machen. Und dann endlich kam für Paul der große Tag. Er hielt seinen Stellungsbefehl in den Händen und sprang begeisternd, jubelnd durchs ganze Haus. Für ihn war das Ganze ein Spiel, nein er dachte nicht, dass er bei diesem Spiel sein Leben einsetzen musste, denn das war der Preis dafür. Am Anfang lief es gut für Paul Müller. Er war von sportlicher Natur, sodass ihm der ganze militärische Drill nichts ausmachte. Vater, Mutter und seine ganzen Geschwister waren stolz auf ihn, dass er den grauen Rock des Todes mit Ehre und Stolz trug. Dann endlich kam der Tag im September 1939, der Krieg begann, mit seiner ersten Vorstellung und Paul Müller war begeisternd, „Hurra“ schreiend dabei. Das fürchterliche Morden überrannte ganz Europa wie eine Maschine und kannte kein Halten mehr. In jedem Land, das unterworfen wurde, bekam Paul Müller seine Orden und Ehrenzeichen, so wie er sich es gewünscht hatte und seine Augen strahlten bis dahin immer noch voller Stolz. Doch sein Stolz sollte sich in den kalten Monaten des Jahres 1943 in Verzweiflung und Bitternis verwandeln. Sein Heimatland lag in Trümmern, die begeisterten Jubelrufe waren verstummt, und Not und Elend zogen ein. Paul wurde an einem strengen Wintertag gefangen genommen und sein Schicksal war ab diesem Tage ungewiss. Von dem einst so stolzen Soldat war nur noch ein ausgemergelter Mensch übrig, der einfach nur überleben wollte. Paul Müller hatte es nur dem eisernen Willen zu verdanken, dass er einigermaßen lebend im Gefangenenlager ankam. Aber in diesem Gefangenenlager lernte er jetzt schon die Hölle auf Erden kennen. Arbeiten in barbarischen Minusgraden, um das wenige Essen wurde sich auf Leben und Tod gestritten. Gefangene wurden gedemütigt und in ihrem eigenen Willen regelrecht gebrochen. Die Sieger zeigten den Besiegten, wer die Herren waren und das an jedem Tag und in jeder Nacht. Die armen Kreaturen, ja, es waren nur noch Kreaturen, starben zu Tausenden den Kältetod oder sie verhungerten einfach. Jeder von diesen armen Soldaten bezahlte nun seinen Preis dafür. Für Paul sollten es sechs Jahre Gefangenschaft sein, bis man ihn endlich gehen ließ. Als das Los auf ihn fiel, seine Heimat wiederzusehen, konnte er es gar nicht richtig fassen. Er war zu apathisch und seine tief liegenden Augen starten nur einfach ins Leere. Seine einstmals so stolze Uniformjacke hing nur noch in zerschlissenen Fetzen an ihm herunter, aber trotzdem spendete sie ihm etwas Wärme. Von einem erfrorenen Kameraden organisierte er sich noch einen Wintermantel, und von einem barmherzigen Bewacher bekam er noch ein Paar Winterstiefel geschenkt. Man pferchte sie wie Vieh in Waggons und transportierte sie über eine Strecke von Tausenden von Kilometer durchs Land, bis sie dann endlich nach Monaten in ihrer sogenannten Heimat ankamen. Paul Müller überkam das schreckliche Gefühl, dass er in diesem Land nicht mehr willkommen war. Die Heimat, wie er sie kannte, war nicht mehr vorhanden. Nichts mehr von den blühenden Städten und den wunderschönen Landschaften, die er einst mit jungen Jahren verlassen hatte, war mehr übrig. Paul kämpfte sich mit den wenigen Verkehrsmitteln, die noch vorhanden waren, durch, bis er in seinem kleinen Heimatdorf ankam. Er verstand es nicht, dass man den einst so jungen, fitten, sportlichen Menschen nicht mehr erkannte. Er ging an dem kleinen Dorfbrunnen entlang und schaute so nebenbei in das klare spiegelglatte Wasser und was er sah, ließ ihn zu Tode erschrecken. Ein ausgemergeltes Gesicht mit tieffliegenden, schwarzen, glanzlosen Augen starrte ihn an, so als wolle es sagen, sieh mich an, Paul Müller. „Hast du das so gewollt?“ Er hatte keine Tränen mehr und er konnte auf diese Frage, die das grausame Gesicht ihm stellte, keine Antworten geben. Er wollte nur noch heim zu Vater, Mutter und seinen Geschwistern, die er schon so viele Jahre nicht mehr gesehen hatte. Paul lief die kleine Hauptstraße des Dorfes entlang, bis zu dem Platz, an dem sein Elternhaus gestanden hatte. Und wieder brüllte seine gequälte Seele auf, denn dort, wo einst sein Elternhaus stand, war nichts mehr als nur noch eine tiefe moderige Grube. Mit innerlichen furchtbaren Gedanken schleppte er sich zu dem Haus des Bürgermeisters und klopfte zaghaft an die schwere Eichentüre des Gebäudes. Ein kleiner, dicker, freundlich aussehender Mann öffnete ihm die Türe und fragte, was er denn von ihm wollte? Paul kannte diesen freundlichen Herrn nicht, fragte aber trotzdem nach dem Verbleib seiner Eltern und Geschwister. Und was er dann hörte, ließ ihn allen Lebensmut und alle Hoffnung, die er aus dem Lager mit nach Hause nahm, auf einen Schlag zerstören. Der nette Herr meinte, er solle sich erst mal auf einen Stuhl setzen, den er ihm anbot und etwas Kaffee zu sich nehmen, der bereits in einer Kanne auf dem Ofen frisch aufgebrüht stand. Paul, vernahm die Worte wie durch eine Nebelwand, die ihm der nette kleine Mann zu sagen versuchte. „Herr Paul Müller, ich muss Ihnen leider sagen, dass ihre Eltern und ihre gesamten Geschwister bei einem der letzten Bombenangriffe auf unser kleines Dorf ums Leben gekommen sind. Es tut mir unendlich leid, Ihnen das sagen zu müssen.“ Paul, bekam die letzten Worte, die der freundliche Herr zu ihm sprach, nicht mehr mit, denn er fiel in eine tiefe Ohnmacht und er erwachte aus dieser Ohnmacht nicht mehr auf. Für ihn gab es nichts mehr, was sich lohnte, weiterzuleben, denn er hatte alles verloren, er hatte seine Ideale verloren, er hatte seine Liebsten verloren und er hatte auch sich selbst verloren. ENDE.


18 Janvier 2023 14:34 0 Rapport Incorporer Suivre l’histoire
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La fin

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