stellavommeer Stella Meer

Ein Bankett in ausgewählter Gesellschaft. Zwei junge Männer und die Hausherrin geraten in Liebesnot.


Short Story Not for children under 13. © Stellavommeer

#["Liebesgeschichte Sehnsucht","verboten","männerliebe","geheim"]
Short tale
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Der Komponist

Ein schwerer Holztisch, dunkel gemasert, er ist der Mittelpunkt dieses Raumes. Die Wände mit Stofftapeten bezogen, vor den Fenstern dunkelrote Samtvorhänge.

Am Tisch können zwölf Personen Platz nehmen. Doch für gewöhnlich sind es nur vier.

In diesem Raum, quillt das Geld seiner Bewohner aus jedem Gegenstand. Alles hier zeugt von Reichtum. Das Damasttuch auf dem Tisch, die Blumenbouquets auf dem Kamin. Das edle Chinesische Porzellan und die barocken Jagdszenen auf den Gemälden. All das, soll den Besuchern den Besitz und den Stand dieser Familie vor Augen führen.


Dieser Raum, er ist der Spiegel seiner Zeit. Auf unbequemen Stühlen sitzend, mit geraden Rücken, werden Höflichkeiten ausgetauscht. Alles hier, hat seine Ordnung. Die Welt außen, sie gerät aus den Fugen, doch hier, vor dem Kamin, wird an der Ordnung nicht gezweifelt. Es ist Gesetz, dass diesen Raum die Außenwelt, mit ihren aufbrechenden Strukturen, nicht betreten darf. Jeder, der diesen Raum betritt, hält sich daran. Über Politik spricht man im Salon. Hier, im Kreise derer, den man imponieren will, werden Höflichkeiten ausgetauscht. Bei nie enden wollenden Banketts, mit all den wichtigen Personen dieses Landes.


Die Langeweile, sie lebt auf diesem Tisch. Sie lebt auf dem blau-weißen Porzellan, in jeder Schüssel und auf jedem Teller. Nur die Gläser, in ihnen lebt der Wein, mit einem selten eingelösten Versprechen auf Leben. Einem Leben, welches diesen Raum nur in Gedanken betreten hat. In Gedanken, in denen Züge zu fernen Zielen fahren. In diesen Gedanken fallen die Hüllen der Guten Erziehung und sehr oft auch die Hüllen, welche den Leib bedecken. Doch auch der Wein, kann die Gesetze dieses Raumes nicht brechen.


Mit diesen Gedanken, schleicht sich für Momente, die Liebe in diesen Raum. Dieses Gefühl, es hat in jener Welt, an diesem Tisch, keinen Platz.


Vielleicht in der Bibliothek, dort darf es stehen. Geordnet nach dem Alphabet, lebt die Liebe in den Zeilen der Poeten.

Sein darf sie nicht, die Liebe, denn dafür ist es noch zu früh. Aber in den Büchern, bestehend aus Buchstaben, zu einer Geschichte verwoben, darf sie entstehen.


Die Liebe.


Einmal hatte sie sich in diesen Raum verirrt. Mehr aus versehen und ohne Einladung, saß sie plötzlich am Tisch. Niemand hätte damit gerechnet. Ein junger Mann hatte sie im Gepäck, sie lag zwischen seinen Notenblättern, von denen er sich nur ungern trennte. Er lebte in Angst, dass ihm jemand seine Kompositionen stahl. Also trug er sie fortwährend bei sich. Die Liebe hatte er wohl versehentlich eingepackt. Sie lag dort, zwischen den einzelnen Noten, geschaffen aus Tönen, welche einen umschmeicheln und in die Tiefe tauchen lassen.

Nun saß er da, der junge, umschwärmte Komponist, mit seiner Liebe im Gepäck. Er hatte wenig praktische Erfahrung mit diesem Gefühl. Aber es stahl ihm den Atem, verdarb ihm den Appetit auf das wunderbare Mahl und ließ ihn zu oft zum Wein greifen. Seine Augen, in der grauen Farbe eines verregneten Himmels, wanderten unablässig zum Sohn des Hauses.

Noch denkt er, die Hitze, die seinen Körper durchströmt, ist auf den schweren Wein zurückzuführen.


Noch denkt er, dass sein Verblüffen über die Zärtlichkeit in der Stimme des jungen Mannes, an seiner Liebe für alles Gutklingende liegt.

Noch denkt und sucht er, nach Erklärungen für dieses Gefühl, dass ihm so fremd ist. Und doch, blickt er unablässig auf die schön geschwungene Linien im Gesicht des jungen Mannes gegenüber.


Mit der Menge des Weines steigt sein Wunsch nach Berührung. Er schiebt diesen Gedanken hin und her. Versteht den drängenden Wunsch nicht. Gerade zwanzig ist der Sohn des Hauses. Ein angehender Jurist mit den Händen eines Malers. Schon als Kind war er von auffälliger Schönheit. Seit seiner Geburt ruhte er in sich. Er war nie ein Draufgänger und trotzdem, durch seine besondere Schönheit, nie alleine.


Sie sitzen sich gegenüber, diese beiden Männer und die Liebe verlässt fast unbemerkt das Notenblatt. Mit der Liebe, die noch nicht diesen Namen trägt, wächst die Sehnsucht nach Vereinigung. Und die Gedanken des Komponisten geraten in ein wildes durcheinander.


Er schwankt zwischen Flucht und Gefangenschaft. Zwischen Fallen und Schweben.

Drehten sich seine Gedanken doch bis vor kurzen nur um die junge Hausherrin, drehen sie dich jetzt in eine unerwartete Richtung.


Die Hausherrin, sie ist die zweite Frau, des reichen älteren Gastgebers. Selber aus guten Haus, keine klassische Schönheit, doch auch nicht hässlich anzusehen, galt sie als gute Partie. Sie hatte sich bewusst für den fast dreißig Jahre älteren Witwer entschieden. Der Gedanke Kinder bekommen zu müssen, hatte ihr noch nie behagt. Ihr jetziger Mann brachte zwei Söhne und drei Töchter aus erster Ehe mit. Niemand erwartete von ihr schwanger zu werden. Sie gab sich leidenschaftslos den Berührungen ihres Gatten hin, wusste sie doch, dass dies Teil ihrer Rolle als Ehefrau war. Im Gegenzug war sie bis zu ihrem Tod versorgt. Sie lebte ein unbeschwertes Leben.

Ein paar mal die Woche genoss sie die Berührungen des Komponisten. Doch diesen gab sie sich mit einer brennenden Leidenschaft hin, die sie vorher kaum für möglich gehalten hätte. Seine Lippen auf ihrem langen Hals, seine geschickten Finger, welche die Innenseiten ihrer Schenkel erkunden, durch das Geheimnis noch intensiviert, trieben ihr die Hitze ins Gesicht.


Nun sitzen sie hier diese drei, tauschen freundlich-belanglose Worte aus, ohne zu ahnen, dass dieses Mahl, ein Schicksalhaftes ist. Verborgen vor den Blicken einer wohlausgesuchten Gesellschaft, bahnt sich die Liebe ihren Weg. Mit allen Mitteln, welche der Liebe zur Verfügung stehen, wird sie das Unerhörte wollen. Sie wird Wege suchen, sie wird Räume finden und ein großes Feuer entzünden. Danach wird nichts mehr so sein, wie es jetzt scheint.







Nov. 2, 2021, 1:50 p.m. 2 Report Embed Follow story
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The End

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Michele Lugetti Michele Lugetti
Eine schöne Geschichte. Gefällt mir.
November 02, 2021, 22:28

  • Stella Meer Stella Meer
    Vielen Dank dir!! Freut mich sehr… November 06, 2021, 20:05
~

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